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DEMOKRATISCH ARABISCHE REPUBLIK SAHARA (D.A.R.S.):

Mohmammed VI (der aktuelle marokkanische König, auch M6) besuchte gerade einen Hammam, als ihm ein Flaschengeist erschien.

–  „Einen Wunsch hast du frei“, bot ihm der Geist an.

– „Ich möchte wirklich gerne noch einmal mit meinem verstorbenen Vater König Hassan II         plaudern.“

– „Oh, einen Toten zum Leben zu erwecken, das ist ein schwieriger Wunsch“, entgegnete der     Flaschengeist. „Hast Du nicht noch einen anderen Wunsch?“

– „Na ja, ich möchte gerne, dass die West-Sahara ein Teil Marokkos wird“, sagte M6.

– „OK, lehn‘ Dich einen Moment zurück, ich schaue derweil, dass ich Deinen Vater                        auftreiben kann!“

Saharawi-Witz

 

…Derweil bekämpft die POLISARIO den marokkanischen Staat aus der Wüste heraus. Auf 2.700 Kilometern Länge quer durch die Sahara hat sich die Provinz hinter dem Hassan Wall verschanzt. Bewacht von 130.000 Soldaten, alle drei Kilometer mit einem Kommandoposten bestückt, ausgestattet mit jedwedem elektronischen Schnickschnack, Bewegungsmeldern und Stacheldraht, soll ein Streifen Landminen für die Extra-Portion Sicherheit hinter dem Hassan-Wall sorgen. Immerhin ein Drittel von König Mohameds Provinz liegt jenseits der Mauer und wird von Marokko nicht kontrolliert. Marokko betreibt somit mitten in der Wüste die längste zusammenhängende Mauer der Welt. Ein schönes Anschauungsobjekt für den derzeit größten aller Staatsmänner und seine Baupläne an der mexikanischen Grenze. Derzeit schwelt der Konflikt auf kleiner Flamme mit einer Strategie der gegenseitigen Nadelstiche. Der inzwischen schlafende Krieg hat nach Schätzungen wohl die Hälfte der Saharawis nach Algerien oder in den von Marokko nicht kontrollierten Teil der D.A.R.S. hinter Hassans Wall vertrieben. Kritische, nach Unabhängigkeit oder Selbstbestimmung rufende Stimmen der Saharawis verschwinden immer noch in den Kellern der marokkanischen Geheimpolizei.

Der derzeitige, fragile Waffenstillstand wird seit 1991 von der UN überwacht. Klares Ziel der UN-Mission ist die Abhaltung des lange versprochenen Referendums zur Selbstbestimmung der Bevölkerung. Aber wer darf abstimmen? Es scheint unmöglich, hier eine Einigung herbeizuführen. Die POLISARIO besteht darauf, dass nur die Saharawis und deren Kinder stimmberechtigt sind, die zur Zeit der spanischen Kolonialherrschaft, also vor fast 45 Jahren, in dem Territorium lebten. Marokko fasst den Kreis der Stimmberechtigten natürlich weiter. Erschwerend hinzu kommt die Neigung großer Teile der Bevölkerung einer nomadischen Lebensform zu frönen. Wer war wann wo? Und wer soll das feststellen? In der Wüste gibt es keine Geburtsurkunden. Ein solcher Konflikt ist nicht mehr aufzudröseln. Währenddessen schafft Marokko Fakten, errichtet Straßen und Häfen, baut Hotels, pflastert die Wüste mit Armee-Camps und fördert den Zuzug neuer potentiell Stimmberechtigter aus dem Norden mit Steuer- und Zollfreiheit. Die Saharawis indes träumen von einer Intifada.

Und was macht die marokkanische und die europäische Jugend vor dem Hintergrund dieses frustrierend politischen Konflikts in der West-Sahara? Sie geht Kite-Surfen! Dakhla auf einer sandigen 50 Kilometer langen Landzunge im Atlantik gelegen, bietet in einer Lagune mit beständigem Wind beste Verhältnisse für die Kite-Surfer. Marokko hofft, diese Destination auf der Weltkarte der Fun-Sportarten zu etablieren, Arbeitsplätze zu schaffen und die Wüste hier vielleicht noch ein wenig marokkanischer zu machen. Nach 1.400 Kilometern Fahrt von Marrakech, auf der es selten mehr als Steine zu sehen gab, ist das Meer der bunten Segel über der Bucht ein fast surrealer Anblick. Genauso surreal, wie die Vielzahl der Wohnmobile, die es bis hierher geschafft haben und die majestätischen Dünen verschandeln. Hauptsächlich Franzosen und Spanier überwintern kostengünstig, oft auch in bewachten Camps irgendwo in der Wüste. Kein Wunder; Wenn man mit Fünfundfünfzig in Pension gehen darf, ist man auch noch fit genug, um es mit dem Wohnmobil bis zur mauretanischen Grenze zu schaffen!

Noch ist in Dakhla der Traum vom großen Geld in weiter Ferne. Von Massentourismus kann keine Rede sein. Abgesehen von ein paar Restaurants und Hotels an breiten, staubigen und menschenleeren Boulevards, döst Dakhla in der stechenden Sonne vor sich hin. Verstörte Stadtväter werten die Promenade mit der Skulptur einer überdimensionalen Teekanne auf, Schlepper versuchen Fahrten mit dem Elektro-Go-Kart ans Kind zu bringen. Die Männer hocken stundenlang in den Cafés. Ein paar Kite-Surfer fahren hinaus zu den Stränden. Auf den Märkten findet ein wenig Transithandel mit dem Sahel statt, Westafrikaner verhökern billige Klamotten und die reichen Fischgründe vor der Küste, werden von Dakhla aus erschlossen. Saharawis sind kaum zu sehen, aber es fällt auf, dass hier und da die Bekleidung der Damen etwas bunter und luftiger wird. Erst nachts belebt sich das kleine Zentrum um den Markt. Berge billiger Klamotten und eine See aus Plastik-Flip-Flops werden feilgeboten. Dakhla mit seinen breiten Boulevards ist bereit, wartet aber noch auf seine goldene Zukunft im Reich des M6…

MAURETANIEN:

…Gegen elf Uhr nachts ist die Hauptstadt Nouakchott erreicht. An einer breiten nicht schlecht, sondern gar nicht beleuchteten Straße, hält unser Bus – Endstation. Eine Straße, die weder einen hauptstädtischen und schon gar nicht den Eindruck macht, dass schon hinter der nächsten Ecke das Lichtermeer von Downtown wartet. Über dem heruntergelassenen Rolltor einer schmuddeligen Garage brennt eine kahle zwanzig Watt Birne. Was ist das hier? Wo bin ich? Vorort, Gewerbegebiet, Stadtzentrum? Das GPS legt mir nahe im Stadtzentrum zu sein, wäre ein solches auf der Karte klar auszumachen. Meine reservierte Unterkunft kennt kein Mensch. Laut eigener Beschreibung im Internet ist sie im Gewirr namenloser, nicht asphaltierter Straßen sowieso nur schwer zu finden. Das Telefon nimmt dort niemand ab. Die Traube der Taxifahrer hat sich inzwischen gelichtet – die meisten sind mit den letzten Fahrgästen in den Feierabend verschwunden. Die beiden verbliebenen Fahrer wollen jetzt endlich los und versuchen ziemlich robust, mich in eines ihrer maroden Gefährte zu zerren, egal wohin. Ali, mein Sitznachbar im Bus, ein marokkanischer Geschäftsmann, hilft mit einer Telefonnummer aus und vermittelt mich an das Hotel Ikrame, dass er angeblich gut kennt. Ich zögere, ob ich mit einem dieser rauen, Taxi fahrenden Gesellen allein im klapprigen Gefährt zu einer Fahrt ins Unbekannte aufbrechen soll. Erschwerend hinzu, kommen die Preis-Verhandlungen: Die Entfernung zum Hotel ist nur schwer bestimmbar und nachts sind die Fahrten in Nouakchott angeblich um ein Vielfaches teurer. Zu allem Überfluss werden nach der Währungsreform des mauretanischen Ouguiyas, bei der eigentlich eine Null gestrichen wurde, alle Preise immer noch in der alten, zehnmal höheren Summe, genannt. Bei einem Preis von zweihundert Ouguiya werden also Zweitausend gefordert. Werden die Zweitausend nur aus Gewohnheit genannt oder auch gemeint? Alle Verhandlungen finden selbstverständlich zwischen einem ehemaligen Französisch-Fünferkandidaten und einem nicht akzentfreien Muttersprachler statt. Schließlich wedeln wir im Dunklen fleißig mit Geldscheinen. Gefordert ist letztendlich eine frische Banknote über zweihundert neue Ouguiya. Als die Verhandlung weiterer Details unseres Transportvertrages dann doch zu konfus wird, regelt Ali alles weitere. Er begleitet mich und nutzt die Gelegenheit zu einem kleinen Wiedersehen mit dem Hotelmanager. Hat für mich den Vorteil, dass ich einen anständigen Preis bekomme und der Manager mir jetzt, durch seine Bekanntschaft zu Ali, persönlich verpflichtet ist. Schon nach wenigen gewechselten Worten, gelobt er bei der Ehre seines Geschlechtes in ganz Mauretanien einen Schutzschirm über mir auszubreiten. So jedenfalls, verstehe ich das große Tamtam und die ausladenden Gesten. Wahrscheinlich getreu des mauretanischen Landesmottos ‚Honneur, fraternité, justice‘.

Glücklich im Hotel Ikrame angekommen, spüle ich den Staub der Landstraße mit einer eiskalten Cola und den Resten meines aus Spanien geschmuggelten Whiskys herunter. Ob der illegale Alkoholschmuggel zum Eigenbedarf eine gute Idee war, darüber gehen später die Meinungen der Afrikakenner auseinander. Mauretanien ist zu einhundert Prozent alkoholfrei. Unser Gepäck wurde bei der Einreise nicht kontrolliert, um die Busse herum waren allerdings ‚Sniffer-dogs‘ auf Drogensuche. Die einen sagen, Alkohol wird in kleinen Mengen geduldet, ein alter Afrika-Hase erzählt mir später, dass er erwischt wurde und drei Tage auf ein Scharia-Gericht warten musste. Dabei geht es nicht unbedingt um das Abschlagen von Händen oder Köpfen. Dem Scharia-Gericht hätte er zunächst erklären müssen, dass es sich bei der beschlagnahmten Palette Red Bull nicht um Alkohol handelt, was die geforderte Strafzahlung von 1.300 Euro schon beträchtlich reduzierte. Anschließend waren nur noch dreizehn Büchsen Bier Gegenstand der Verhandlung. Nach zähem Feilschen einigte sich das hohe Gericht mit dem Delinquenten schließlich auf zehn Euro pro Büchse. „Bismillah, cent et trente euros“. So soll es sein: „Im Namen Allahs, hundertdreißig Euro, bitte!“ „Kein Einspruch, Euer Ehren“. Geschichten dieser Art scheinen sich in letzter Zeit zu häufen. Also, wohl bekomm‘s in Mauretanien! …

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